Norwegische traditionelle Handarbeit
Das norwegische Wort Husflid hat einen ganz besonderen Stellenwert in Norwegen. Auf Deutsch wird es als Heimarbeit oder Heimkunst übersetzt und steht für traditionelle Handarbeit in der norwegischen Kultur. Husflid ist für Norweger verbunden mit einem Hauch von Tradition und Geborgenheit. Grob gesagt ist damit die Herstellung von Produkten zuhause für den eigenen Gebrauch oder auch zum Verkauf gemeint. Dahinter steckt aber so viel mehr.
Husflid ist tief mit dem norwegischen Bewusstsein für Traditionen und dem Bedürfnis nach Selbstversorgung verbunden. Norwegische Kinder wachsen damit auf, dass zuhause verschiedene traditionelle Handarbeiten ausgeführt werden und dürfen sich auch schon früh an eigenen Traditionen ausprobieren. Typischerweise werden Materialien aus Garn, norwegischer Wolle, Stoff, Holz und Metall, aber auch anderes wie Horn, Knochen und Materialien aus der Natur verwendet.
Die angewendeten Techniken sind zudem sehr vielfältig. Dazu gehört beispielsweise das Weben, Stricken, Sticken, Häkeln und die Holzschnitzerei. Aber auch verschiedene Formen der traditionellen norwegischen Malerei oder die Herstellung der über 400 verschiedenen Trachten Norwegens zählen zu den Husflidstraditionen . Zu den Traditionen des Husflid kann im weitesten Sinne auch die Herstellung von eigenen Lebensmitteln, wie zum Beispiel die Erstellung von Wursterzeugnissen oder das Bierbrauen gezählt werden. Sogar Schmiedearbeiten und der Bau von Holzbooten fallen darunter.
Im Zuge der Industrialisierung wurde die Herstellung vieler Produkte, für die es viel Zeit, Platz und Gerätschaft braucht, jedoch mehr und mehr industriell ausgelagert. Dennoch versucht man durch die Tradition des Husflid die alten Fertigkeiten aufrechtzuerhalten und weiter zu pflegen. Allerdings wird heutzutage der Schwerpunkt auf leicht im Haus durchführbare Tätigkeiten ‒ wie beispielsweise Stricken und Häkeln ‒ gelegt.
Die Geschichte der norwegischen Handarbeit und Entwicklung der Husflid-Tradition
Das Wort “Husflid” ist im Dänischen seit etwa 1800 bekannt und wurde dort verwendet im Sinne von flid=Fleiss oder Eifer im Haus. In Norwegen tauchte es erstmals 1830 bei Henrik Wergeland auf.
Husflid ist eine Tradition, die als ein Gegengewicht zur industriellen Fertigung zu sehen ist. Husflid kann im weitesten Sinne verstanden werden als eine Produktion von Erzeugnissen mit den eigenen Händen, einfachen Werkzeugen und hauseigenen Mitteln. Die Erzeugnisse können hierbei im Interesse eines Hobbies liegen, aber auch für den Verkauf produziert werden. Erzeugnisse der Husflidtradition, die einen künstlerischen Charakter haben, können zum Kunsthandwerk oder sogar zur angewandten Kunst gezählt werden. Husflid wurde politisch motiviert gefördert zur Armutsprävention, da Selbstversorgung und der Selbsterhalt gerade in den abgelegenen Regionen Norwegens immer wichtig waren.
Traditionsbewahrende Hobbies finden auch heutzutage noch großen Anklang in Norwegen, da sie ein Gegengewicht zu industrieller Massenware und passiver Unterhaltung darstellen. Einer Umfrage zufolge strickten 2016 sogar 43 Prozent der norwegischen Frauen.
Verbreitung und das Weitergeben der traditionellen Handwerksfertigkeiten an die nächste Generation
Traditionell wurden handwerkliche Fertigkeiten von Familie zu Familie weitergegeben und den Kindern wurde von klein auf das notwendige Wissen und die Techniken angelernt. Auch heute noch lernen viele Kinder das Weben, Stricken und Häkeln von älteren Verwandten. Des Weiteren werden in der Schule diese Fertigkeiten im Fach “Kunst und Handwerk” angeboten, welches 1997 eingeführt wurde. Vorher hieß dieses Fach “Gestalten”, welches 1960 eingeführt wurde und handwerkliche Fertigkeiten, sowie Werken und Zeichnen beinhaltete. Das Erlernen von traditionellem Handwerk ist in Norwegen an städtischen Schulen seit 1889 ein Pflichtfach und schon seit 1848 an allen öffentlichen Schulen ein fakultatives Fach. Es wurde vor allem eingeführt, um die Fertigkeiten von Hausfrauen auf diesem Gebiet zu fördern.
Ein Großteil der Weitergabe von traditionellen handwerklichen Techniken findet heutzutage in Form von Kursen statt. Allein Norges Husflidslag organisiert jährlich rund 2600 Kurse. Desweiteren sind in norwegischen Büchern alte Überlieferungen und Anleitungen vermerkt und ständig werden von jungen Designerinnen neue Muster mit Anleitungen entworfen, die man auf dem Buchmarkt erwerben kann.
