Heimatland und andere Geschichten aus Norwegen von Kronprinzessin Mette-Marit et al

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Ein Projekt mit Texten unterschiedlicher norwegischer Autoren

Die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit ist seit Jahren einige der wichtigsten Botschafterinnen der norwegischen Literatur. 2019 wurde sie auf der Frankfurter Buchmesse gebeten, eine Anthologie mit Texten von norwegischen Autoren zusammenzustellen.
Als Mitautor entschied sich Mette-Marit für den Schriftsteller, Lyriker und Lektor Geir Gulliksen. Herausgekommen ist eine bunte Mischung ganz unterschiedlicher Autoren mit variantenreichen Themenschwerpunkten und Tonlagen. Mal heiter, mal eher trist gestimmt wird die ganze Bandbreite menschlicher Gemüter sichtbar gemacht ‒ im Hintergrund fühlbar norwegische Werte und Traditionen, die jeden Autor unterschiedlich geprägt haben.
Schon das eingangs geführte Gespräch zwischen der norwegischen Kronprinzessin Mette-Marit und dem Schriftsteller Geir Gulliksen zeigt, wie unterschiedlich das Aufwachsen in Norwegen sein kann. Auch die Wahrnehmung der eigenen norwegischen Identität ist bei beiden Personen sehr unterschiedlich. Mette-Marit trägt ein sehr starkes Bild der Erinnerung an ihre Kindheit in sich, welches ihr immer ein Gefühl von Freiheit vermittelt hat: während langer Spaziergänge ihrer Mutter, die sie als ganz kleines Kind auf einem Schlitten mitgenommen hat, schaut sie in den strahlend blauen Himmel. Dieses Bild trägt sie in sich und das Gefühl von Freiheit verlässt sie nicht mehr. 
Ganz anders ist es bei Geir Gulliksen, welcher aus dem kleinen norwegischen Ort Kongsberg stammt. Offen schreibt er über die Erfahrungen seiner Kindheit und darüber, wie sehr er sich doch in gewisser Weise immer beobachtet gefühlt hat. Nie hat er sich dort wirklich frei gefühlt. Lange war sein Dasein in Norwegen auch mit einem Gefühl von Unfreiheit und Gefangensein verbunden. Ganz anders fühlt er sich, wenn er nach Schweden reist oder in andere Länder. Dort kann er ganz er selber sein und achtet nicht mehr darauf, was andere über ihn denken.
Ich will nicht zuviel verraten, denn es soll ja noch spannend bleiben, das Buch zu lesen. So viel kann jedenfalls gesagt sein, dass man tiefgründige Einblicke bekommt in die norwegische Gesellschaft und deren Entwicklung.
Auch die Texte der verschiedenen norwegischen Autoren unterstreichen das. Nicht jeder Text behandelt typisch norwegische Themen oder steigt tiefer in die Aufführung von Werten und Traditionen ein. Es gibt aber eine ganze Reihe von Texten, die dies ausgiebig tun. 
Interessant dabei ist auch der Text von dem in Norwegen und auch international bekannten Autoren Dag Solstad. Von ihm erschienen in den vergangenen fünfzig Jahren neunzehn kurze Romane, zudem Reportagen und Essays. Seine Bücher sind in dreißig Sprachen übersetzt worden und er erhielt zahlreiche Preise, darunter den Nordischen Preis der Schwedischen Akademie (2017), den Literaturpreis des Nordischen Rates (1989), den Gyldendal-Preis, den Aschehoug-Preis und einige mehr.
In diesem Buch schreibt Dag Solstad einen Text mit dem Titel: “Kann man einer Nationalsprache den Garaus machen? Ist das nötig?” Er beschreibt hier, die Stellung der norwegischen Sprache in der  Vergangenheit und auch in der Gegenwart. Als norwegische Schriftsteller kommt hier fast eine gewisse Verzweiflung zutage über die Tatsache, dass die Norweger ihre eigene Sprache bis heute hinten anstellen. Beispielsweise erzählt er, dass norwegische Touristen in Schweden beim Einkaufen ihr Norwegisch ablegen und versuchen, schwedisch zu reden. Hingegen erlebt er, dass schwedische Verkäuferinnen, die nach Norwegen eingewandert sind, dort arbeiten und an der Kasse weiterhin schwedisch sprechen. Und dies wird als ein normaler Umstand betrachtet. Die norwegischen Kunden versuchen sogar beim Einkaufen auf Schwedisch zu antworten in ihrem eigenen Land, statt beim Norwegischen zu bleiben. Er versucht diesen Umstand sprachgeschichtlich zu erklären, versteckt aber gleichzeitig seinen Unmut darüber nicht. 

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Solche und auch andere Einblicke in die norwegische Gesellschaft sind durchaus lesenswert für alle, die sich für Norwegen tiefgehender interessieren. Neben Dag Solstad werden insgesamt  Texte von 12 verschiedenen norwegischen Autoren vorgestellt, u.a Vigdis Hjorth, Tomas Espedal, Ole Robert Sunde, Marit Eikemo, Siri Hustvedt, Wencke Mühleisen, Helga Flatland und andere. 
Auch wer einen Einblick sucht in den Schreibstil verschiedener norwegischer Autoren, kann mit dem Buch sicherlich etwas anfangen. Hat man einmal einen Autor für sich entdeckt, kann man tiefer einsteigen und sich nach und nach gezielt die Bücher dieses Autors zulegen. Somit gibt das Buch einiges her als Einstieg und Überblick in die Welt der norwegischen Autoren. Wer mag, kann dieses Buch verschenken an Norwegenliebhaber oder solche, die es eventuell noch werden.